Für alle offen – Information und Diskussion lokal wichtiger Themen

Eine Bürgerversammlung ist das, was der Name sagt: Potentiell alle Bürger:innen einer Stadt oder Kommune treffen sich zu einem klar vorgegebenen Thema.

In den beiden süddeutschen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg ist das Instrument der Bürgerversammlung in unterschiedlicher Stärke in den Verfassungen verankert. In den anderen Bundesländern sind Bürgerversammlungen möglich, jedoch nicht vorgeschrieben.

Egal, ob verpflichtend oder freiwillig genutzt, eignen sich Bürgerversammlungen für die gegenseitige Unterrichtung von Bürgerschaft, des oder der Bürgermeister:in und der Verwaltung. Diese kann auf Stadt-, Gemeinde-, Bezirks- oder Stadtteilebene geschehen. Entscheidungen der Stadtverwaltung werden vorgestellt und erläutert, bevor die endgültige Entscheidung gefällt worden ist, denn Einwendungen und/oder Vorschläge der Bürger:innen sollen aufgenommen werden können. Eine Bürger- oder Einwohnerversammlung ist aber kein Entscheidungsorgan.

Bürgerversammlung auf einen Blick

  • offen für alle Bürger:innen
  • als Beteiligungsinstrument verpflichtend vorgesehen oder freiwillig
  • bis zu mehrere hundert Teilnehmer:innen
  • presseöffentlich
  • gegenseitige Unterrichtung
  • transparente Diskussion
  • Empfehlungen als Entscheidungsgrundlage für kommunale Politik

Das Gelingen einer Bürgerversammlung hängt von mehreren Faktoren ab. Dazu gehört, dass mit einem genügend langen Vorlauf und genügend breit eingeladen wird, dass die Vertreter:innen der Kommune offen informieren und mit den Bürger:innen diskutieren und dass die Veranstaltenden einer Bürgerversammlung sorgsam und transparent mit den Ergebnissen umgehen.

Bürgerversammlungen finden auch unter der Bezeichnung „Einwohnerversammlung“ statt.  In aller Regel wird festgelegt, dass nur Einwohner:innen der jeweiligen Gemeinde ein Teilnahme- und Rederecht haben, denn nur ihre Interessen sollen in der Bürgerversammlung geäußert und beraten werden.

Auch Bürger:innen können eine Versammlung beantragen, wenn das Thema im letzten halben Jahr nicht bereits Gegenstand einer Bürgerversammlung war und die jeweilige Ebene zumindest eine „Befassungskompetenz“ für das Thema hat.

In Bundesländern, deren Kommunalverfassungen Bürgerversammlungen nicht explizit vorsehen, können sie freiwillig und ohne rechtliche Bestimmungen einberufen werden.

Da der Bürgerversammlung keine ausführliche Input- oder Diskussionsphase vorausgeht, eignet sie sich nur für Themen, die in der Bürgerschaft bekannt sind und ggfs. bereits lange diskutiert wurden. Innerhalb der Veranstaltung können Kleingruppen-Phasen zum Austausch über einzelne Themenaspekte vorgesehen werden. Oft gibt es einen geregelten Feedback-Prozess und/oder Folgeveranstaltungen. In einigen Fällen werden Teilnehmer:innen einer Bürgerversammlung z.B. in Parlamentsgremien eingeladen.

Eine spezielle Form der Bürgerversammlung ist das 21st Century Town Meeting. Es wurde 1995 von der Non-Profit-Organisation „America Speaks“ entwickelt und ermöglicht die Beteiligung von tausenden Menschen, die in großen Hallen an hunderten Tischen in Kleingruppen, begleitet durch eine Moderation, diskutieren. Angestrebt wird eine repräsentative Zusammensetzung der Teilnehmer:innen. Die gesamte Veranstaltung ist zeitlich genau geplant, Information, Kleingruppendiskussion und Abstimmungen wechseln sich ab. Die Ergebnisse aus den Kleingruppen werden durch Themen-Teams zusammengefasst und geordnet. Dann erfolgt eine Abstimmung.

 

Referenzen (Auswahl):

  • Bürgerversammlung zum Masterplan Paketpost-Areal München, für Landeshauptstadt München, 2021 (online)
  • Bürgerversammlung zum Temporären Stadtplatz Klausenerplatz Kiez, für Technische Universität Berlin, 2020
  • Bürgerversammlung zur Neugestaltung des Preußenparks, für Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin, 2020-2023
  • Zwei Online-Bürgerkonferenzen im Rahmen des Dialogs „Pflege 2030“ im Auftrag der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Berlin; zur Situation und Zukunft der Pflege 2020, zur Digitalisierung in der Pflege 2019
  • Regionalkonferenzen im Rahmen des Bürgerrats Demokratie: Bürgerkonferenzen zum Agendasetting des Bürgerrats Demokratie, durchgeführt in Erfurt, Gütersloh, München und Schwerin, im Auftrag von Mehr Demokratie e.V., 2019
  • Bürgerversammlungen als öffentliche Veranstaltungen im Rahmen der Straßenbahndialoge Berlin zur Präsentation und Kommentierung der aktuellen Planung zu den Straßenbahnneubauvorhaben in Berlin, für Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin, laufend seit 2018

 

Literatur:

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2021). 21st Century Town Meeting (Methodenbeschreibung auf der Plattform „Beteiligungskompass“). www.beteiligungskompass.org/article/show/132

Breuss, N. (2018). 21st Century Town Meeting. In: Stiftung Mitarbeit, ÖGUT (Hrsg.), Bürgerbeteiligung in der Praxis – Ein Methodenhandbuch. S. 266-271.

Patze-Diordiychuk, P. (2017). Einwohnerversammlung. In: Patze-Diordiychuk, P. et al. (Hrsg.), Methodenhandbuch Bürgerbeteiligung. Passende Beteiligungsformate wählen. S. 42-59. Öekom.

 

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