Losbasierter Querschnitt aus der Bevölkerung entwickelt Lösungen für aktuelle zukunftsrelevante Themen

Eine demokratische Gesellschaft soll und will die verschiedenen Interessen aller Bürger:innen aufnehmen. Dazu müssen diese Interessen formuliert werden und den politischen Akteuren bekannt sein. Die Methode Bürgerrat eignet sich für alle Themen, die einen Querschnitt von Bürger:innen betreffen. Sie bringt in einem moderierten und strukturierten Prozess die unterschiedlichsten Menschen zusammen. Im Bürgerrat erarbeiten sie gemeinsam Lösungen und Ideen für ein aktuell bekanntes und relevantes, bereits im jeweiligen Umfeld diskutiertes Thema. Der Bürgerrat setzt sich aus zufällig ausgelosten Teilnehmer:innen aus der jeweils ausgewählten Region oder aus inhaltlich definierten Gruppen zusammen – das kann ganz Deutschland, ein Bundesland oder eine Kommune sein.

Bürgerrat auf einen Blick

  • aktuell relevante, breit zu diskutierende Themen
  • Querschnitt aller Bürger:innen durch Zufallsauswahl
  • kurz- und längerfristig, ein bis mehrere Tage
  • 30 bis zu 160 und mehr Teilnehmer:innen
  • Informationen durch Expert:innen
  • Prozessbegleitung und Moderation
  • klare Empfehlungen
  • Dokumentation in einem Bürgergutachten

Wichtig: Alle Teilnehmer:innen werden zufällig aus der jeweiligen Gruppe ausgelost, um so ein möglichst gutes Abbild aller zur Gruppe gehörenden Menschen zu erreichen. Menschen mit ganz unterschiedlichen Berufen und Bildungsniveaus, mit unterschiedlichen Herkünften und Geschlechtern, Jung und Alt kommen zusammen und beraten auf Augenhöhe und hierarchiefrei. Diese vielfältige Zusammensetzung ist die besondere Stärke der Methode, denn hier kommen Menschen zusammen, die normalerweise kaum zusammenkommen, eine 70jährige Unternehmerin z.B. mit einem 40jährigen Handwerker und einer 18jährigen Schülerin.

Sämtliche Kosten der Teilnehmer:innen, wie für Reise, Unterkunft und Verpflegung, werden übernommen, der Veranstaltungsort ist barrierefrei zu erreichen, wenn nötig wird eine Kinderbetreuung angeboten und es wird weitere Unterstützung, wie z.B. Übersetzungen und, bei Online-Durchführung, technische Beratung und Betreuung zur Verfügung gestellt.

Die Durchführung eines Bürgerrats umfasst vier Phasen. Die erste Phase der Vorbereitung beinhaltet die konkrete Benennung des Themas und die Auslosung und Einladung der Teilnehmer:innen. Damit in der zweiten Phase die Beratung informationsbasiert erfolgt, hören die Ausgelosten Vorträge und Diskussionen von Fachleuten, diskutieren untereinander in geschützten, moderierten Kleingruppen nach bestimmten Regeln, durch die alle Teilnehmer:innen sich einbringen können. Es werden keine Statements veröffentlich, es ist keine Presse anwesend, sodass eine möglichst ehrliche und ergebnisoffene Diskussion geführt werden kann. Die entwickelten Handlungsempfehlungen werden in einer Redaktionsgruppe aus Moderation und Bürger:innen zusammengeführt und dann weiterbearbeitet. Am Ende des Bürgerrats wird über die Empfehlungen abgestimmt. In der dritten Phase erfolgt die Übergabe des Bürgergutachtens, z.B. an den Gemeinderat, das Parlament oder andere Institutionen und die Veröffentlichung. In der vierten Phase diskutieren die Adressaten des Bürgergutachtens die Empfehlungen und entscheiden darüber, welche Empfehlungen umgesetzt werden.

Die Mitglieder eines Bürgerrates sind nicht gewählt. Die Empfehlungen eines Bürgerrats können also nicht verpflichtend sein. Sie werden den jeweiligen Adressaten weitergeleitet. Die Adressaten verpflichten sich, mit den Ergebnisses des Bürgerrats sorgsam und transparent umzugehen. Oft gibt es einen geregelten Feedback-Prozess und/oder Folgeveranstaltungen. In einigen Fällen werden Bürgerräte z.B. in Parlamentsgremien eingeladen und/oder die Verfahren werden mit den Möglichkeiten direkter Demokratie verknüpft.

Referenzen (Auswahl):

  • Nationaler Bürgerrat Ernährung im Wandel, im Auftrag des Deutschen Bundestags, 2023-2025
  • Gesellschafts-Forum Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, 2023-2024
  • Gesellschafts-Forum Bundeskunsthalle Bonn, 2023-2024
  • Klimarat Neumünster, 2022-2023
  • BeNaMo- Begleitforschung nachhaltige Mobilität, 2020-2024
  • Beteiligungsprozess zur Weiterentwicklung des Nationalparks Schwarzwald, 2022-2023
  • ZukunftsRat Eberswalde, 2021-2022
  • Bürgerrat „Forschung“, bundesweit, im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung BMBF, nexus und IFOK, 2021/2022
  • „Berliner Klima-Bürger:innenrat“, im Auftrag der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, nexus, IASS Potsdam und Klima-Mitbestimmung JETZT e.V., 2021-2022
  • Bürgerrat Forum Corona Sachsen, 2021-2022
  • Bürgerrat „Standortsuche für das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig“, für Stiftung Friedliche Revolution Leipzig, 2021/2022
  • Bürgerrat „Klima“, bundesweit, Träger Verein BürgerBegehren Klimaschutz e.V., durchgeführt von nexus, IFOK und IPG, 2021
  • Zukunftsrat Schule von Morgen, durchgeführt von nexus, IFOK und IPG, 2021
  • Bürgerforum Corona Baden-Württemberg, 2020-2021
  • Bürgerrat „Deutschlands Rolle in der Welt“, bundesweit, im Auftrag von Mehr Demokratie e.V., nexus, IFOK und IPG, 2019
  • Bürgerdialog zu autonomer Mobilität, durchgeführt von nexus und Missions Publiques, 2019-2020
  • Bürgerrat „Demokratie“, bundesweit, im Auftrag von Mehr Demokratie e.V., nexus und IFOK, 2018/2019
  • Bürgerforum über Raumfahrt für Europa, 2016
  • Bürgerdialoge zu Klima und Energie Deutschland, 2015-2016

Literatur:

Mehr Demokratie e.V. (o.J.). Bürgerrat. www.buergerrat.de

Stiftung Mitarbeit (o.J.). Bürgerrat. www.buergergesellschaft.de/mitentscheiden/methoden-verfahren/buergerbeteiligung-in-der-praxis-methoden-und-verfahren-von-a-z/buergerrat

Liesenberg, K., Strothmann, L. (2022). Wir holen Euch ab!: Wie wir durch Bürgerräte und Zufallsauswahl echte Vielfalt in die Demokratie bringen

Lindner, P. (2021). Bürgerräte – Krafträume der Demokratie. Süddeutsche Zeitung, www.sueddeutsche.de/politik/buergerraete-kraftraeume-der-demokratie-1.4618522

Fischer-Bollin, P. (Hrsg.) (2021). Zukunftsmodell Bürgerrat? Potenziale und Grenzen losbasierter Bürgerbeteiligung. Konrad-Adenauer-Stiftung

Foto: www.buergerrat.de